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Testbericht des LP Magazins

Edwards Audio MC 6

Flaggschiff-Phono der etwas anderen Art

Selbstverständlich generiert der Anschein eine Erwartungshaltung. Und dieser Anschein hier sorgt für so etwas wie schulterzuckende Akzeptanz nach dem Motto: „Wenn hier keiner grob etwas verrissen hat, dann wird man mit dem Ding schon Musik hören können“. Sie sehen mir
eine gewisse Hochnäsigkeit im stillen Kämmerlein nach und vermuten zu Recht, dass davon nach Abschluss der Beschäftigung mit diesem Gerät so ganz viel nicht übrig geblieben ist. Der unscheinbare Edwards-Phonopre hat mich nämlich in mehrerlei Hinsicht faustdick überrascht.
Überhaupt: Edwards Audio? Das ist eine von derzeit vier Marken des britischen Unternehmens Talk Electronics. Damit ist man schon seit über 25 Jahren im Geschäft, die Marke Edwads Audio gründete Talk Electronics-Chef Kevin Edwards jedoch erst im Jahre 2009. Und mit der neuen Marke verbindet er eine Mission: Gutes und bezahlbares HiFi, erdacht und gebaut auf britischem Boden – das muss möglich sein. Und tatsächlich hat der Mann es bislang immer wieder geschafft, genau dieses Versprechen einzulösen, weshalb wir zum Beispiel den Plattenspieler TT4 im vergangenen Jahr als „Product Of The Year“ ausgezeichnet haben. Womit wir uns hier beschäftigen wollen, ist die größte Phonovortufe des hauseigenen Line-ups, die MC6. Ein Topmodell für 600 Euro – wo gibt’s das andernorts schon? Was mir erst einmal sympathisch ist: Die Konstrukteure haben darauf verzichtet, das Netzteil des Gerätes auszulagern. Soll heißen: Kein Steckernetzteil, kein lästiges zu versteckendes separates Kästchen, keine Probleme beim Ein- und Ausschalten.


Weil: Wer den Netztrafo mit ins Gerät holt, der kann auch einen korrekten „harten“ Netzschalter einbauen. Was hier geschehen ist. Der sitzt zwar nicht ganz praktisch auf der Rückseite, aber immerhin. Die MC6 ist eine MC- und MM-taugliche Phonovorstufe. Im MC-Betrieb schafft sie
eine maximale Verstärkung von rund 72 Dezibel, was reichlich ist und das Gerät damit sogar als Spielpartner für richtig leise Exoten-MCs qualifi ziert. Und wenn man fähige Entwickler hat, dann kann man ein so hoch verstärkende Lösung auch sauber realisieren, wenn der Netztrafo mit
im Gehäuse sitzt. Kompliment schon mal dafür. Die Rückseite bietet ein Paar Cinch Eingangs- und ein paar Ausgangsbuchsen. Man kann also nur einen Abtaster anschließen, die Umschaltung zwischen MM und MC erfolgt per ebenfalls hinten angeordnetem Drucktaster. Auf der schwarzen Acrylfront des Gerätes gibt es nichts zu tun, außer das Firmenlogo zu bewundern, das je nach Betriebsart blau oder rot leuchtet. Schwarzes Acryl findet sich auch als Material für den Gehäusedeckel und die Seitenwände wieder. Als tragende Struktur dient eine Blechwanne, die mit dem Acryl-“U“ verschraubt wird und als Träger für die Technik dient. Und das, was es hier zu sehen gibt, würde ich als mustergültiges Beispiel für ein pragmatisches, gelungenes Phonovorstufen-Design bezeichnen. Den Stromversorgungsjob übernimmt ein ausgewachsener Ringkerntransformator , übrigens aus europäischer Fertigung. Er bezieht seinen Strom via Kaltgerätebuchse – nein, nicht einfach direkt, sondern über die nächste Überraschung: Der Hersteller spendierte hier nämlich ein „DC-Filter“. Das ist eine Anordnung aus Elkos und Dioden, die Gleichspannungsanteile aus der Netzspannung entfernt, wie sie heutzutage immer öfter auftreten. Sie bereiten Netztrafos erhebliche Probleme, die sich als zeitweises mechanisches Brummen äußern. Dem Trafo nachgeschaltet sind Gleichrichter und ordentlich eine dimensionierte Siebung, es folgen elektronische Regelschaltungen für die Betriebsspannungen.

Die Verstärkerschaltung selbst ist mit integrierten Operationsverstärkern realisiert,
die eingesetzten Typen von Analog Devices waren mir bis dato neu, machen laut Datenblatt aber einen extrem gut für den Job geeigneten Eindruck. Auf der Platine tummelt sich ein bunter Mix aus bedrahteten und SMD-Komponenten. Die Entzerrung erfolgt mehrstufig, teils aktiv, teils passiv, die Filterkondensatoren sind von guter Qualität. Die nächste Überraschung wartet am Ausgang der Schaltung: Den letzten OPs sind nämlich diskret aufgebaute Ausgangsstufen nachgeschaltet, die für eine schön niedrige Ausgangsimpedanz sorgen und auch exotische Lasten ohne Probleme treiben können. Sehr erstaunlich in dieser Klasse. So, und jetzt wird’s für Sie als Anwender wichtig: Die Parametrierung des Gerätes erfolgt nämlich über gleich acht DIP-Schalterblöcke, die mit auf der Platine sitzen und sich damit nur nach Entfernen des Deckels erreichen lassen. Damit lassen sich eine Vielzahl von Dingen einstellen, wie zum Beispiel die Verstärkung des MC- und des MM-Zweiges separat voneinander. In Summe ergibt das eine Vielzahl möglicher Verstärkungen zwischen 35 und 72 Dezibel – da sollte für jeden Tonabnehmer
etwas dabei sein. Im MM-Betrieb kann man vier Eingangskapazitäten anwählen und sich sogar zwischen 47 und einem Kiloohm Eingangsimpedanz entscheiden, was zum Beispiel bei dem einen oder anderen High-Output-MC eine gute Idee sein mag. Sogar für den MC-Betrieb kann man
zwischen drei Eingangskapazitäten wählen (was ich eher exotisch finde), bei der MC- Abschlussimpedanz gibt’s die Wahl zwischen 10, 100 und 470 Ohm. Hier hätt’s ein wenig mehr sein dürfen, in 95 Prozent aller Fälle sollte das aber passen. Sehr erstaunlich, was der Hersteller
hier auf die Beine gestellt hat, es ist an der Zeit herauszufinden, ob sich das auch klanglich bezahlt macht. Zunächst durfte die MC6 mit dem ausgezeichneten Mustang-MM Bekanntschaft machen, das an anderer Stelle in diesem Heft zu bestaunen ist. Ich bin letztlich bei maximaler
MM-Verstärkung (50 Dezibel) gelandet und hatte damit eine 900-Euro-Kombi aus Abtaster und Phonovorstufe, die ziemlich nachdenklich macht, weil sie nämlich ganz ausgezeichnet Musik spielt. Wir hören mal bei Richard Koch rein, jenem österreichischen Jazztrompeter, dessen Album „Stadt“ vorletztes Jahr schwer zu gefallen wusste. Die MM-typische Geschlossenheit ist sofort da. Dieser Impuls, mit dem Thema „Hörtest“ einfach aufhören und nur Musik hören zu wollen. Ja, ich weiß – das wäre an dieser Stelle eher kontraproduktiv. Was bereits hier auffällt, ist der zarte Schmelz, den die MC6 am oberen Ende des Spektrums liefert. Kochs Trompete klingt geschmeidig, sanft und komplett. Sie lässt erstaunlich tief blicken, diese Kombination, wie die fein ziselierten Perkussionselemente beweisen. Das Klavier hat Substanz und ist gut vom Rest des Geschehens separiert, der Kontrabass swingt. Wir probieren mal das großartige King-Buffalo-Album „Burden Of Recklessness“. Das US-Psychedelic-Trio liegt voll auf der Linie dieser Analogkombi. Der Sound hat Rhythmus, Drive und diesen leicht lakonischen Grundtenor, der
sich durch das Album zieht. Die Gitarren habe Fülle und erfreulich viel Differenzierung – klasse. Versuchen wir mal einen MC-Abtaster. Das Ortofon Windfeld Ti passt zwar preislich nicht ganz zu der MC6, hat aber Charakter. Und das zeigt die Edwards-Phonovorstufe auch sofort: Dieser Replikant-100-Diamant des Ortofon ist ein Detail-Trüffelschwein allererster Güte und es ist erstaunlich, wie sehr das günstige Gerät diesem Umstand Rechnung tragen kann. Sogar gewiss nicht einfacher Japan- Jazz (Tsuyoshi Yamamoto) klingt überaus frisch, lebendig und präzise. Die mittleren bis oberen Lagen sind klar die Regionen, in denen die größten Stärken der MC6 zu
finden sind. Die Klavieranschläge klingen hauchzart aus, die Bühnenabbildung hat eine realistische Größe, die Verhältnisse passen. Diese sanfte Geschmeidigkeit ging mit dem MM nicht, was völlig in Ordnung ist. Für abermaligen Kontrast sorgen Steely Dan mit ihrem Jahrhundertwerk „Aja“: Der typische Siebziger-Sound sitzt sofort, das Klangbild ist kompakt, aber schön differenziert, Donald Fagens Gesang hat seine typische Tonalität – das passt einfach. Klar, die zum Vergleich herangezogenen deutlich aufwändigeren Geräte liefern untenherum noch ein wenig mehr Substanz und klingen vielleicht noch ein bisschen zwingender, der Qualität dieser ganz erstaunlichen 600-Euro-Maschine tut das aber keinerlei Abbruch. Dicke Empfehlung!
Holger Barske





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