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Testbericht Edwards Audio Apprentice TT

Der vielleicht coolste Plattenspieler der Welt

Geht es Ihnen nicht auch manchmal so, dass Sie sich wünschen, noch einmal der junge Musikfreak zu sein, der total aufgeregt seinen ersten Plattenspieler auspackt und seine drei Lieblingsscheiben endlich rauf und runter hören kann? Genau so habe ich mich gefühlt, als ich den Edwards Audio Apprentice Plattenspieler aus seiner Verpackung befreite, denn hier macht sogar das Auspacken richtig Spaß.

Alles ist so sinnvoll gepackt und lässt sich logisch miteinander verbinden, dass ich mich wirklich frage, wie man ein solches Produkt für 399 Euro Verkaufspreis herstellen kann. Zumal mir Kevin Edwards glaubhaft versicherte, dass er komplett im Vereinigten Königreich gebaut wird. Ja, die Zarge ist leicht und wenn Sie wollen, einfach. Aber Einfachheit, wenn sie wie hier so gut verstanden und ausgeführt ist, hat noch nie geschadet. Das gilt in ähnlichem Maß auch für die passende Phonovorstufe.

TALK Electronics, die Dachfirma von Edwards Audio, entwickelte sich vor fast 30 Jahren aus der erfolgreichen Marke „Cable Talk“. Wir, das heißt vor allem mein Chefredakteur Thomas Schmidt, und ich haben diverse Voll- und Phonoverstärker sowie Plattenspieler der Marke mit ihrem meist hervorragenden Preis-Leistungs- Verhältnis besprochen.

Unsere einzige leise Kritik war dabei, dass die Formensprache der Produkte sich teilweise sehr schnell ändert. Aber das könnte auch der finalen Findungsphase von Edwards Audio geschuldet sein. Ähnlich verhält es sich ja mit dem Apprentice, der vom rechteckigen Brettspieler zum runden Dreher mit gestalterischer Reminiszenz an die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts mutiert ist. Dass das handfeste Gründe hat, werde ich gleich beleuchten.

Firmenchef und Namensgeber Kevin Edwards ist nicht nur ein empirisch geschulter Ingenieur mit mehr als 40 Jahren Erfahrung in allen Bereichen, wovon er nun gut 25 Jahre in der Entwicklung von HiFi-Produkten unter eigener Flagge verbracht hat. Er ist auch studierter Trompeter und hat wie die meisten seiner ebenfalls als Musiker ausgebildeten Mitarbeiter ein entsprechend hervorragendes Gehör. Und genau das (sic!) hört man in den Produkten von Edwards Audio auch. Kein Wunder, dass ihr Leitspruch „If it doesn´t swing in goes in the bin“ lautet. Frei übersetzt:“Wenn es keine Musik macht, fliegt es weg“. Was für ein genialer Leitsatz. Wie Kevin mir schrieb, verbindet den neuen, runden Apprentice nichts mehr mit seinem gleichnamigen Vorgänger, den wir vor einigen Jahren im Test hatten. Dieser war ein Rega-OEM-Modell, das Edwards Audio modifizierte. Sie mochten ihn, wussten aber, das sie selbst etwas Besseres bauen könnten. An der Stelle sei es noch einmal erwähnt: Edwards Audio ist zu 100% Edwards Audio, das allermeiste stellen sie selbst her, gebaut werden die Sachen bei ihnen. Also war dieser Neustart für den Apprentice nur logisch – nach gut drei Jahren Entwicklung war er fertig.

Und wieso hat die Entwicklung so lange gedauert? Nun, unfassbarerweise besteht Edwards Audio aus gerade einmal fünf Mitarbeitern. Damit produzieren sie neben den Sachen für diese Marke auch OEM-Produkte für andere Firmen und gerade zusätzlich High-End Komponenten für die Dachmarke „TALK“. Für die Zarge des neuen Apprentice haben sie endlos viele Materialien ausprobiert, die dem Klang zugutekommen und das Budget nicht sprengen sollten. Heraus kam ein fünflagiger Schichtaufbau aus selbst gefrästen Acrylplatten. Zwei Lagen Acryl sind jeweils durchgefärbt, in der Mitte sitzt eine transparente Acrylplatte mit einer Dämpfungsmatte auf Ober- und Unterseite. Zur An- oder Entkopplung dienen je nach Stellfläche neu entwickelte Gerätefüße. Das war die Basis für das neue, runde Design, das tatsächlich attraktiv ist und die hippe Formensprache der 60er Jahre clever aufnimmt und modernisiert. Der neue, für Edwards Audio spezifizierte 24V Motor soll deutlich leiser als der alte von Rega sein, ein Aluminium Pulley ist Standard. Alle anderen Teile wie die 12mm starke Lagerbuchse aus Messing, Subteller und Plattenteller werden wie erwähnt von Edwards Audio selbst hergestellt. Im Lager dreht eine Edelstahl-Lagerkugel, die sich als Upgrade durch eine Keramik- oder Rubinkugel ersetzen lässt. Auf dem Lagerrand des Innentellers sitzt der eigentliche 11mm starke Plattenteller und minimiert so die Kontaktfläche zum Lager. Der kurze Riemen ist weniger elastisch als üblich und nennt sich Big Belter, vielleicht weil er dicker ist.

Der neue A1-Einpunkt-Tonarm basiert auf dem deutlich teureren A6 und ist in einem abgestützten Einpunktlager aus gehärtetem Edelstahl gelagert. Das 10 mm starke, lackierte Aluminiumtonarmrohr ist durchgängig mit einem hochwertigen Kupferkabel bis zum Anschlussfeld hin inklusive separater Masseführung verkabelt. Außerdem besticht der A1 durch ein dynamisches Antiskating, bekannt von Nottingham und Pear Audio. Mit Hilfe des asymmetrischen Gegengewichts aus Edelstahl lässt sich bei Bedarf auch der Nadelazimuth verstellen, damit die Nadel senkrecht in die Rille tauchen kann. Der Arm ist in der Höhe eigentlich nicht verstellbar, wenn es unbedingt sein muss, kann man das übers Lager tun, was aber suboptimal wäre. Das liegt daran, dass Kevin Edwards davon ausgeht, dass der A1 immer mit den Audio Technica-Derivaten C50 oder C100 verkauft wird und dafür passt die fixe Höhe perfekt. Das C50 ist als Rega Carbon bekannt und bewährt und basiert auf dem AT3600. Eine angepasste Haube sorgt für Staub- und Berührungsschutz vor allem des Tonarms. Kommen wir noch kurz auf den kleinen Edwards Audio Apprentice MC/MM-Phonovorverstärker zu sprechen. Wir bekamen zum Test die reine MM-Version, die vom MM1 abgeleitet ist. Das OP-Amp basierte Design arbeitet mit einer passiv-aktiven RIAA mit niedriger Ausgangsimpedanz. Es werden getrennte Spannungsversorgungen eingesetzt, um Einstreuungen zu verhindern. Und tatsächlich agiert der Kleine auffällig störgeräuscharm. Wie immer stellt sich natürlich die Frage, wie denn die Musik mit dem britischen Duo spielt. Nun, ich finde das Apprentice-Team macht das großartig. Eigentlich bin ich schon lange kein Fan von einfachen Tonabnehmern mit Rundnadeln mehr. Aber die Kombination des C50 mit dem A1 auf dem Apprentice macht derart viel Spaß, dass ich das gleich wieder vergesse. Vielleicht liegt es an der Verbindung von Rundnadel (=Energie, Saft, Homogenität mit wenig Auflösung) und Einpunkttonarm (=Luftigkeit, Auflösung, Eleganz), die so einrastet? Jedenfalls fängt die Apprentice-Kombo die lässigen Grooves von Little Feats „Last Album“ ebenso griffig ein, wie die geschmeidigen Beats von Kruder und Dorfmeister oder den zeitlosen Jazz von Miles Davis. Sogar einen ganz bösen Test habe ich mir erlaubt und die zweite Einspielung der Bach´schen Goldberg Variationen von Glenn Gould aufgelegt. Stimmt der Gleichlauf nicht, gibt es tonale Auffälligkeiten oder dynamische Einschränkungen wird die Aufnahme unanhörbar. Hier aber perlen Goulds Läufe so, dass ich der Musik uneingeschränkt folgen kann und nicht durch technische Einschränkungen ausgebremst werde. Das soll ein anderer Plattenspieler für das Geld erst einmal nachmachen. Mir ist schlicht kein Genre untergekommen, dass die beiden Lehrlinge, denn das bedeutet Apprentice ja übersetzt, nicht ganz wunderbar vermitteln konnten. Schwächen? Für das Geld? Keine.

Fazit

Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass ich noch nie einen so guten Einsteigerplattenspieler auf dem Regal und in den Fingern hatte. Für das, was er kann, ist sein Preis ein Witz. Jeder, der in der Preisklasse einen Plattenspieler sucht, muss sich den Edwards Audio Apprentice anhören – und seinen passenden Phonovorverstärker gleich dazu. Damit kann man richtig gut Musik hören.


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